Heiner H . Hoier / works

Personal Notes

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Louisa van Brooken
Name: Heiner H. Hoier
Birth: Bremen
Study: HFK / Bremen
Teacher: Jobst von Habsdorf / Felix Müller,
K.F. Dahmen / Winfred Gaul
Tools: Painting, Drawing, Writing
Teaching:      Prof. / Krefeld / München

Selected Writings

digital eschatologie
idealismus und kybernetische moderne

"Das (das) Künstlertum nicht als selbstgenügsames Formen des Schönen, sondern als „ganze Aufgabe“ zu verstehen ist, betont Diotima noch einmal mit höchstem Nachdruck: `Du wirst Erzieher unseres Volkes (sein).`
Die Weissagung verweist auf das für die Zeit charakteristische ( am eindringlichsten von Schiller formulierte) Programm einer ästhetischen Erziehung des Menschengeschlechts. Der Deutsche Idealismus geht von der Grundidee aus, dass nur die Sphäre harmonischer Ganzheit, die ja auch für Hölderlin im Hyperion das "Schöne” darstellt, die Menschen in gültiger Weise zu ändern vermag . Denn nur so können sie von innen heraus, substanziell harmonisiert werden.”

 

In diesem Exkurs zu Hölderlins „Hyperion“ formuliert Jochen Schmidt (insel) das idealische Grundmuster das sich heute – vom Geniekult zur ubiquitären Ästhetik gewandelt - in der technologischen Vektorialität neuer Medien reproduziert. Es ist eine Art Neo-Idealismus der sich in der industriell-ästhetisierten Operationalität des Alltags verbirgt und überall auf seine Gelegenheit wartet. Das „Ästhetische“, dass bereits bei Schiller die Aufgabe hatte einem romantischen Handlungskanon den Weg zu bahnen, spielt auch heute eine entscheidende Rolle. Nur mit umgekehrten, beunruhigenden Vorzeichen: es ist nicht das Ästhetische das die Technologie, sondern die Technologie die das Asthetische zum zentralen Thema hat, allerdings ohne es explizit ( und schon gar nicht kritisch ) zu hinterfragen.

 

Die von Schiller formulierte ästhetische Erziehung feiert hier ihre medial-zeitgemäss gewendete Auferstehung. Längst schon geht es , wie im Idealismus, um das Zielbild eines Menschengeschlechts, das sich im Anthropo-Design das finale Schönheitsideal geschaffen hat. Erst darin mag es sich als vom atavistischen Widerspruch befreites Subjekt zu erkennen.

 

Hölderlins Sphäre harmonischer Ganzheit scheint gleichbedeutend mit den medialen Systemeigenschaften die sich heute zu einem Gefühls- und Lebensraum industrieeller Vektorialität verdichten. Die elektronische Vegetation, selbst reiner Energiefluss, muss Wirklichkeit werden, will sie denn zum beherrschenden Telos der eigenen Prophetie aufsteigen. Nur von innen heraus kann sich deshalb das Selbst als Botschaft des Systems figurieren. Semiotische Logik und tradierte Modelle der Persuasion verlieren so ihre kommunikative Naivität . Vielmehr verkörpert die Person – im Wortsinn – den systemischen Körper, zu dessen entleibte Substanz sie geworden ist.

 

„Design-Thinking“, das Mantra des Silicon Valley, kann als der Neologismus gelten, in dem sich der Idealismusbegriff historischer Prägung noch einmal recycelt. Und weil algorithmische Oberflächenerscheinungen wichtiger geworden sind als Inhalte, zeigt sich hier ein archetypischer Topos menschlicher Sehnsucht schon in den Wörtern ; Design IST - programmatisch - was es vorgibt nur semantisch zu konnotieren: Industrielles Ideal - der immanente Glaube an die Kunstwelten (KI) die ihn selbst hervorbrachten. Die Entwurfsindustrie, egal ob sie sich geistig oder verweltlicht, auf jedenfall unaufhaltsam, über den Einzelnen und das Kollektiv ergeht, greift ganzheitlich aus. Der "erzieherische Auftrag”, die "gute Absicht” des Ästhetischen wird so zum Mittel, zum Zweck, obwohl ihr - im Sinne der Selbstheit des Schönen - jeder Zweck fremd zu sein hätte.

 

„Den Wunderleistungen der Ökonomie und der modernen Technik geht der Umbau der Seele , eine unvorstellbare präzise Arbeit am inneren Menschen vorher. Alles funktioniert, nur der Mensch nicht“, heisst es bei Elizabeth Lenk in „Ethik des Aesthetischen“.

 

Hier wie dort also zeigen sich die verhängnisvollen Parallelen. Kann man sagen, erst jetzt vollendet sich – im optimierten Funktionalismus der Instrumente - die abendländische Hybris als Widerschein der alten, von Platon idealisierten Menschheitsidee ?

 

In der Sphäre harmonischer Ganzheit - das mussten wir lernen - waltet immer schon die Protoform der Gewalt. Umsonst also hat uns offenbar die Geschichte belehrt; wie anders könnten wir - scheinbar noch immer im Gegenlicht unserer Selbstprojektionen - so bedenkenlos die Orientierung verlieren?

 

Der mögliche Grund ist einfach: Im outfit der Aufklärung, der Ent-deckung neuer, ungeahnter technischer Möglichkeiten, offenbart sich der Schein der Freiheit.

Von der aussengesteuerten Ideologie zur Selbstreferenzialität des Vektoriellen - das Synonym für die zeitgemäss-mutierte, vormals selbstgenügsamen Form des Schönen - ist es technisch ein konsequenter, abendländisch mentalistisch ein folgerichtiger Schritt gewesen.

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